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- Reisebericht Sahara 2001/02

Grenzfahrten zwischen den Welten

Anfang November beginnt diese Reise, die uns durch die afrikanischen Länder Tunesien, Algerien, Niger, Mali und Burkina Faso führen wird. Am Grenzort Taleb Larbi reisen wir, von Tunesien kommend, nach Algerien ein. Die Pass- und Zollformalitäten bringen wir problemlos hinter uns und dann geht es auf guter Teerstraße weiter durch den nördlichen Teil der Sahara, der bereits in Tunesien bei Tozeur begann. Dünenhügel, dazwischen Trichteroasen mit kleinen Gruppen von Dattelpalmen, prägen das Landschaftsbild. An den Straßenrändern werden auf wackligen Brettgestellen Sandrosen angeboten, die durch das Anlegen der trichterförmig in den Sand gegrabenen artesischen Brunnen zutage befördert wurden.

Die Einfahrten in die gepflegten und betriebsamen Ortschaften und Städte sind durch große, über die Straße gespannte Torbögen gekennzeichnet. In unserem roten Feuerwehrauto werden wir, mein Mann Hellmut, der diese Reise geplant und organisiert hat, unsere zwei Freunde Fritz und Robert, unser Schäferhund Rex, und ich, von den Menschen freundlich begrüßt. Im Gegensatz zum sich sehr westlich und modern gebenden Tunesien wirkt Algerien auf den ersten Blick traditionell. Am zweiten Tag erreichen wir die Stadt Hassi Messaout, ein neu erbauter Petrol-Wüstenort. Dann zieht sich die Asphaltstraße durch ein sogenanntes Dünen-Gassi des Erg Oriental, Richtung Hassi bel Gebour. Neben uns erheben sich die die höchsten Dünen der Sahara in einen grau umwölkten Himmel.

Die Nächte in der Sahara sind kalt. Wir machen ein Feuerchen. Das Holz dazu haben wir aus Deutschland mitgebracht. Bevor wir in unsere Daunenschlafsäcke kriechen, zum Aufwärmen noch ein Schluck Slivovic aus der Flasche. Die trockene Luft macht nicht nur meinen Augenlidern zu schaffen, sie sind rot geschwollen und entzündet, sondern auch meine Nebenhöhlen schmerzen und müssen sich erst auf die geänderten klimatischen Bedingungen einstellen. Mein Gesicht verträgt kein Wasser mehr. Ob mein mitgeführter Vorrat an Feuchtigkeitscremes ausreichen wird?

Am dritten Tag unserer Fahrt durch die algerische Sahara treffen wir endlich auf die ersten Tuareg! Stolz auf ihren Kamelen sitzend ziehen sie in einiger Entfernung vorbei und würdigen uns keines Blickes. Sie sind in indigoblaue Umhänge, die „Gandura“, gehüllt. Ihr Gesicht verdeckt mit Ausnahme der Augen ihr Gesichtsschleier, der „Tugulmust“.

 Die Fahrt führt über ein steiniges Hochplateau. Aus Geröllfeldern erheben sich Berge. Als es hier noch kein Asphaltband gab, orientierten sich die Reisenden an den „Alam“, Steinmännchen, die auf den Bergen aufgeschichtet wurden und schon von weiten sichtbar sind. Wir durchqueren Wadis mit frischem Grün, die erst vor kurzem noch Wasser geführt haben müssen. Auf einem kurzen Spaziergang entdecke ich Versteinerungen, Schnecken und anderes Meeresgetier, das Zeugnis ablegt von Zeiten als sich hier Ozeane ausdehnten. Dann wird die Landschaft wieder flacher. Neben der Fahrbahn verlaufen die dicken, oberirdisch verlegten Rohre der Ölpipelines, in denen der kostbare Wüstensaft von den südlichen Förderstellen in den Norden gepumpt wird.

Die Umgebung erinnert immer mehr an Mondlandschaften. Steilste Serpentinen führen plötzlich hinunter durch tiefe Abbrüche auf die nächste Ebene, auf der sich, so weit das Auge reicht, schnurgerade das graue Asphaltband hinzieht. Im Auto geht die Temperatur bis auf 37° Celsius hoch. Feiner Sand löst das Geröll ab. Vereinzelt ragen Tafelberge aus der Ebene. Dann kommt der nächste Abbruch. Man könnte meinen, die Serpentinen führen hinunter in die nächste Etage des Höllenvorhofs. Endlich taucht hinter einer Düne der Ort In Armenas auf. Nach dessen Durchquerung folgen wir der Straße durch den Erg Bourharek mit wunderschönen Dünen, die ihrerseits von einer Mondlandschaft abgelöst werden, die in Kohlenhalden übergeht, um wiederum in traumhafte Dünen überzuwechseln.

Am nächsten Tag erreichen wir die Provinzhauptstadt Illizi. Ein properer Ort mit nettem Hotel, einladenden Restaurants und Cafés, einer Post und Läden für jeden Bedarf. Es wimmelt nur so von traditionell gekleideten Tuareg, die durch ihren hohen Wuchs, bestimmt ist hier die Durchschnittsgröße 1,90 m, auffallen.

Und weiter führt die Straße immer wieder von hohen Pässen in tiefer gelegene Ebenen hinunter, wo man doch längst dachte, den allertiefsten Punkt schon erreicht zu haben. Die Landschaft wird noch bizarrer: schroffe Stein- und Felsformationen regen die Phantasie an: Man durchschreitet Torbögen, klettert über Felskuppen in Gestalt von Tier- und Menschenköpfen, sieht sich Auge in Auge mit aus dem Fels modellierten Fabelwesen.

Nach sechs Tagen erreichen wir endlich Djanet, die südlichste Stadt Algeriens, Datteloase und Tuareghochburg. Von hier aus unternehmen wir einen Ausflug auf das Hochplateau von Ischabarra mit seinen wunderbaren, prähistorischen Felszeichnungen. Von einem Wadi aus beginnt der steile Aufstieg in rasantem Tempo durch ein Geröllfeld. Ziemlich erschöpft erreichen wir nach einigen Stunden die ersten Zeichnungen: Gazellen, Antilopen, Rinder. Männer, die mit Speeren jagen, Frauen, die sich der Körperpflege hingeben, und viele andere bunte Szenen aus einem prähistorischen Alltag. Die Landschaft des Plateaus ist überwältigend. Aus Stein gewaschene Architektur findet in Domen, Durchgängen, Plätzen ihren Ausdruck. Auch hier geheimnisvolle Felszeichnungen. Marsmenschen, die aussehen als würden sie Orgien feiern. Hatte Herr von Däniken doch recht?

Nachdem wir bei den Polizei- und Zollbehörden die Ausreiseformalitäten erledigt haben, geht es auf große Fahrt ins Abenteuer: von Djanet, der südöstlichsten Oase Algeriens, nach Chirfa, der nordöstlichsten Oase des Niger, auf einer Sandpiste durch die nördliche Ténéré, von der das Reisehandbuch „Reise Know How Westafrika“ (5. Auflage 2000) zu berichten weiß: „Die Strecke von Chirfa nach Djanet ist für Europäer nur in Begleitung von ortskundigen Führern und sporadisch befahrbar. Die gesamte nördliche Ténéré ist noch immer Rückzugsgebiet von Rebellen und Banditen“. Das wollen wir doch mal ausprobieren.

Eine Teerstraße führt noch bis zum Flughafen von Djanet, dann müssen wir uns die Piste suchen. Ein Metallpfosten und ein paar Autospuren im Sand markieren den Einstieg. Nach zwei Stunden Fahrt erreichen wir die Grenze zum Niger. Der gottverlassen wirkende Grenzposten besteht aus ein paar abbruchreifen Gemäuern, um die der Wind pfeift. Alte Decken dienen als Türen. Etwa zehn algerische Grenzsoldaten, die sich sichtlich freuen, dass sie durch unsere Ankunft etwas Abwechslung bekommen, tun hier Dienst. Als wir den angebotenen Kaffee gerne annehmen, führen Sie uns in eine als Küche und Speiseraum dienende Wellblechhütte und servieren uns auch noch Fleisch in Tomatensauce und Linsen mit Brot. So freundlich sind wir noch an keiner Grenze abgefertigt worden! Wir revanchieren uns gerne mit Keksen und Obstkonserven.

Die nördliche Ténéré ist eine Sand- und Steinwüste, die zwischen dem Tassili-Gebirge im Osten und dem Hoggar-Gebirge im Westen verläuft. Für die Durchquerung haben wir drei Tage veranschlagt. Wir verzichten abends auf ein Lagerfeuer, bereiten eine schnelle Mahlzeit. In diesem Rebellengebiet wollen wir keine Aufmerksamkeit auf uns lenken. Die Wüstennacht ist sternenklar und mondhell. Plötzlich sehen wir in der Dunkelheit in weiter Ferne das Flackern von Lichtern. Hier gibt es keine Oase, kein Dorf, nichts. Hier sind wir ganz alleine. Seit unserer Abfahrt am Morgen in Djanet ist uns außer den Grenzsoldaten keine Seele begegnet. Was mögen die Lichter bedeuten? Nach einiger Zeit ist es völlig außer Zweifel: die Lichter bewegen sich in unsere Richtung! Es muss sich um Autoscheinwerfer handeln. Sie kommen langsam näher. Es sind die Scheinwerfer von drei Fahrzeugen, die genau auf uns zuhalten. Gespannt sitzen wir da. Es weiß doch niemand, dass wir hier sind. Ist den Rebellen unsere Ausreise zugetragen worden? Wie verlaufen hier die Drähte? Da hier ein Lichtschein schon auf sehr weite Entfernungen zu sehen ist, dauert es unendlich lange, bis die Scheinwerfer näher kommen. Unser Auto erscheint mir als kein sicheres Versteck für die Reisekasse, es könnte ja gleich gestohlen werden. Deshalb vergrabe ich die mitgeführten Dollar unter dem Zelt. Die France behalte ich am Körper. Die wären im Fall des Falles als Wegezoll vorgesehen. In der Hoffnung, uns mit den France freikaufen zu können, harren wir der Dinge, die da kommen sollen. Die mir in den Kopf schießenden Bilder von allen je im Fernsehen gesehenen Überfällen versuche ich tapfer zurück zu drängen. Plötzlich schöpfen wir Hoffnung! Was so aussah, als würden Autos direkt auf uns zufahren, löst sich beim Näherkommen in drei nebeneinander fahrende Autos auf, die im Abstand von einigen Kilometern linker Hand an unserem Lager vorbeisteuern. Vermutlich handelt es sich um Schmuggler-Lkw, die ihre Ware auf diesen Schleichwegen auf Wüstenpisten transportieren. Geschmuggelt wird hier alles, besonders beliebt sind Zigaretten, mit denen man sich in jedem Ort der Sahara zu günstigsten Preisen eindecken kann. Noch halten wir den Atem an, dass unser Camp im hellen Mondlicht nicht als Silhouette am nächtlichen Horizont entdeckt wird. Dann endlich ist der Spuk vorbei. Wir blieben unentdeckt und ich buddle meine Dollar wieder aus dem Sand.

Den Rest der Strecke bis Chirfa treffen wir keine Fahrzeuge, keine Nomaden, nichts. Drei Tage lang durchqueren wir eintönigste Steinwüste. Die einzige Abwechslung bietet eine Reifenpanne. Der Reifen wird gewechselt, der kaputte für den nächsten Notfall geflickt. Im 360° Grad Winkel um uns herum nur eine flache Scheibe aus Schotter ohne jede Erhebung: „Hammada“ - große Gesteinsdecken, „Serir“ - feine Kieselsteinbedeckung, „Erg“ - Sandwüste, lebensfeindlich, wasserlos, inmitten einer unendlichen Weite.

Endlich wieder das erste Grün! Für den Reisenden aus der Wüste eine Wohltat für Auge und Seele. Tamarisken und Palmen sind in einiger Entfernung auszumachen. Große Bergrücken ragen aus der Ebene. Traumhaft schön erscheint vor uns die Oase Chirfa. Eine Burganlage erhebt sich aus dem Sand. Wie das Vorbild für eine bayerische Krippe wirkt diese Oase. Chirfa ist Siedlungsgebiet der Tibu oder auch Tubu, kriegerische Halbnomaden und negride Nachkommen der Saharaurbevölkerung, bestens an die harten Wüstenbedingungen angepasst. Ihre Frauen sind wie auch die Tuareg-Frauen unverschleiert und genießen hohes gesellschaftliches Ansehen. Es heißt, Auseinandersetzungen tragen Tubu-Frauen auch schon mal mit kleinen Dolchen aus, die an ihren Oberarmen befestigt sind.

In einer Strohhütte, auf Matten sitzend, die auf dem Sandboden ausgebreitet sind, handeln wir mit Hassan, unserem zukünftigen Führer, der uns bis Agadez begleiten wird, die Route und die Bezahlung aus. Hassan ist Ende zwanzig, groß und schlank gewachsen und wirkt in seiner hellblauen, wallenden Bekleidung, angetan mit Turban und goldener Uhr, sehr vornehm. Im Verlauf unserer Reise wird er sich als ortskundiger und angenehmer Reisegefährte erweisen. Der Vertrag wird schriftlich fixiert und nachdem wir am Dorfbrunnen Wasser gefasst haben, geht es los.

nser erstes Ziel ist die aus Lehmziegeln erbaute Ruinenstadt Djado, die einst von Tuareg, dann von christlichen Siedlern aus Schwarzafrika und zuletzt von Tubus bewohnt wurde. Myriaden von Stechmücken sollen im letzten Jahrhundert die Bewohner der Stadt vertrieben haben. Diese zerfallene Festungsstadt mit ihren sie umgehenden Palmerien ist noch immer imposant. Wegen der Schlangen wird festes Schuhwerk empfohlen

Über die Ruine der benachbarten Wohnburg oder „Ksar“ Djaba erreichen wir die überwältigende Felslandschaft von Orida. Große Zeugenberge ragen überall aus dem hellen Sand. Die bis zu 400 Meter hohen Felszinnen und –türme, die sich steil aus dem Sand erheben, vermitteln einen grandiosen Eindruck. Es gibt kleine Wasserstellen, um die sich Grün bildete. Unter Überhängen sind phantastische Felszeichnungen versteckt. Die Gegend fasziniert uns und wir bedauern, nicht ausreichend Zeit für ihre Erkundung eingeplant zu haben. Hierher müssen wir noch einmal zurück kommen!

Hassan hält übrigens streng die Regeln des Rammadan ein, der soeben begonnen hat. Er betet fünfmal am Tag, isst und trinkt nur nach und vor Sonnenaufgang. Wir stellen ihm ein Frühstück bereit, damit er sich vor Tagesanbruch selbst versorgen kann. Er hält es ohne mit der Wimper zu zucken, den ganzen Tag ohne Essen und vor allem bei dieser Hitze ohne Wasser aus. Wenn die Zeit der Dämmerung anbricht, macht er sich mit Waschungen und Beten bereit. Endlich ist die Zeit für den ersten Schluck Tee gekommen! Das Pilzrisotto, das es zum Abendessen gibt, schmeckt ihm vorzüglich.

Unsere Route soll uns durch die südliche Ténéré, das bedeutet „Leeres Land“, bis Agadez führen. Die Piste geht vorbei an den Oasen Seguedine, Aney, Dirkou und Bilma, die wie Perlen auf einer Schnur von Nord nach Süd aufgereiht sind. Hier weist der Reiseführer darauf hin, dass es sich um eine der anspruchvollsten Routen der Sahara handele, die nicht ohne Kompass, Sandbleche und ortskundige einheimische Führer durchfahren werden könnte. Mit dem allen sind wir ausgerüstet, nur das obligatorische zweite Fahrzeug fehlt leider. Nach dem 11. September waren Saharatouristen auf ein winziges Häufchen geschrumpft, so dass es nicht möglich war, ein uns begleitendes Fahrzeug zu finden.

Bevor wir uns dem markanten Zeugenberg nähern, der die Oase Seguedine ankündigt, durchqueren wir eine Senke, in der etliche aufrechtstehende, uralte, versteinerte Bäume zu bestaunen sind. Seguedine selbst und ebenso Aney entpuppen sich als trostlose Wüsteneien mit unzählig vielen Kindern, die sich beim Spazieren gehen an unsere Finger klammern.

Inzwischen machen wir es unterwegs Hassan nach und schlafen im Beduinenbett, unter freiem Himmel, die Matratze auf den Sand ausgebreitet, fest eingemummt im Schlafsack. Über uns breitet sich die Unendlichkeit des hell leuchtenden Firmaments. Wie bedauere ich es, mich nie näher mit Sternenbildern befasst zu haben, um dieses Funkeln und Glitzern deuten und zuordnen zu können.

Am nächsten Tag nähern wir uns dem Pistenknotenpunkt Dirkou. Fritz, der in kurzen Hosen unterwegs ist, hält kurz vor dem Ort das Auto an, um auszusteigen und in lange Hosen zu schlüpfen. Ein kurzes Beinkleid gilt hier als Unterwäsche und man will ja nicht unschicklich gekleidet in der Oase erscheinen. Wie sich herausstellt, hat dieser Halt aber den Argwohn des örtlichen Polizeikommandanten geweckt. Bei der Ortseinfahrt werden wir zur Seite gewunken, einem Verhör unterzogen. Wir müssen die Pässe abgeben und lange auf deren Rückgabe warten. Es bleibt uns Zeit, das Treiben vor Ort zu beobachten. Hier treffen sich die Pisten, die Algerien, Libyen, Tschad und Nigeria miteinander verbinden. Wie ein Spinnennetz durchziehen diese Handelsrouten seit Urzeiten die Sahara. Waren es früher Kamelkarawanen, die in diesen Wüsten unterwegs waren, werden diese immer mehr durch schwere, hoffnungslos überladene Allrad-Lkw ersetzt, die Schmuggelware transportieren. Über Dirkou führt eine wichtige Drogenstraße nach Europa. Hier wird abgeladen, umgeladen, aufgeladen, Waren ebenso wie Menschen, die illegal Grenzen von Süd nach Nord überschreiten wollen.

Hier ist auch ein Treffpunkt der unterschiedlichsten Ethnien. In den Oasen leben Kanuri, die einst Frondienste für die gefürchteten Tuareg leisten mussten, die Felder bestellten und die Palmen pflegten. Direkt vor unserem Auto steht ein attraktiver junger Mann mit eindrucksvollen Schmucknarben im Gesicht, die seine Stammeszugehörigkeit ausdrücken. Die Islamisierung der Bevölkerung gelang nur oberflächlich. Schleier für Frauen, die hier in die buntesten Gewänder gehüllt sind, gibt es nicht.

Der Markt von Dirkou ist groß und gut bestückt. In den Verkaufsständen machen sich Fliegenschwärme auf den ausgebreiteten Fleischfetzen breit. Es gelingt uns endlich, bei einem Straßenhändler Geld zu wechseln, unsere französischen Francs in CFA-Francs, die im gesamten frankophonen Afrika das offizielle Zahlungsmittel sind. Und in einem Hinterhof können wir unsere Treibstoffreserven auffüllen. Ein junger Mann saugt den Diesel mit einem Schlauch aus Fässern an und füllt damit unseren Tank und unsere Kanister.

Wir verlassen Dirkou in Richtung Bilma. Ein dreibeiniger, hell gefleckter Hund humpelt über die Piste, die schnurgerade durch den weiß-gelben Sand verläuft, um am Horizont direkt in den blassblauen Himmel zu führen.

Bilma besitzt einen Garten Eden! Palmgärten, durch die Bächlein plätschern, mit saftig grünem Gras. Dort weiden Ziegen, Schafe und Esel. In einem Felspool erfrischen sich Schwimmer. Doch nicht weit davon entfernt, fühlt man sich der Hölle näher als dem Himmel. In Salinen wird in Schwerstarbeit die begehrte, hochwertige Salzerde gewonnen, die zu Kuchen oder Hüten geformt mit Karawanen unter anderem auf die Märkte in Agadez und Kano gebracht wird. Vor Bilma lagern die Karawanen, die Hirse und Zucker hierher brachten und mit Salz beladen wieder abziehen. Dieses wichtige Lebensmittel wird wiederum auf den Märkten im Süden gegen Hirse, Tee und Stoffe getauscht. Wir spazieren zwischen den verschiedenen Karawanen hin und her. Die Kamele sitzen am Boden. Die Tuaregfamilien geben sich einem geschäftigen Treiben hin. Es wird auf- und abgepackt. Hier treffen wir zwei Schweizer Mädels, die mit dem Fahrrad bis Agadez unterwegs waren, mit dem Lkw nach Bilma kamen und nun auf der Suche nach einer Karawane sind, die sie mit zurück nimmt nach Agadez. Bewundernswert! Der Marsch Bilma – Agadez dauert mit einer Karawane drei Wochen. Die Kamele sind täglich 14 Stunden unterwegs und schwer bepackt, nicht nur mit Salz, sondern auch mit Wasser und Nahrung für die Wüstendurchquerung. Die Tiere sind hintereinander angebunden. Da darf es kein Anhalten geben, um die Marschformation nicht durcheinander zu bringen. Bleibt ein Begleiter zurück, muss er sehen, wie er die Karawane wieder einholt. Der Beruf eines Karawanenführers ist unter den Tuareg begehrt und geachtet. Der Salzabbau und der Transport des Salzes finden nur in den Monaten November bis Februar statt. Dann wird es zu heiß.

Von Bilma aus führt die Route durch flache Dünen. Noch vor Fachi kommen uns drei Karawanen entgegen. Ein faszinierendes Bild. Der Kameltross bewegt sich in einem langsamen Rhythmus vorwärts. Die Tuareg auf ihren Kamelen wirken respekteinflößend und imposant. Stehen sie einem dann gegenüber, merkt man, es sind sehnige, drahtige Burschen, die einen hellen, aufgeweckten Eindruck machen. Sie strahlen Lebendigkeit und Fröhlichkeit aus. Man tauscht kleine Geschenke, von den Fotos einer Sofortbildkamera sind sie entzückt. Es sind die letzten Karawanenwege, auf denen der Transport von Waren noch mit Kamelen durchgeführt wird. Die Tuareg beherrschen dieses Gebiet und lassen es nicht zu, dass ihr Salzgeschäft durch motorisierte Händler zunichte gemacht wird. Wer würde es in dieser Gegend wagen, sich mit den alles beherrschenden Tuareg anzulegen. Gerade ging ein langer und verbissen geführter Bürgerkrieg, in dem sich die Tuareg und Tibu gegen die Zentralregierung des Nigers verbündeten, zu Ende. Gewinnen konnte diesen Krieg keine Seite. Heute sind Tuareg als Soldaten in die reguläre Niger-Armee integriert. Man erkennt sie an einer roten Binde um den Arm und am Gesichtsschleier, dessen Indigoblau allerdings Tarnfarben weichen musste.

Nach Fachi geht die Piste entlang der wunderschönsten Dünenberge, die sich längs beidseitig neben uns erheben. Der Sand wechselt mit den Tageszeiten seine Farbe. Am frühen Morgen ist er fahlgelb. Je höher die Sonne steigt, desto heller wird er, fast weiß, um am späteren Nachmittag wieder in ein wunderschönes, warmes Goldgelb überzugehen. Am frühen Morgen und am Abend sind die Konturen haarscharf und klar. In der Hitze der Mittagszeit flimmert die Luft. Die Konturen lösen sich auf. Karawanen, die sich nähern, scheinen plötzlich über dem Boden zu schweben. Kleine Objekte werden durch die Entfernung immer größer. Ein Sandhügel wird zu einem Berg. Es tauchen plötzlich riesige Wasserflächen in der Ferne auf. Das also sind die berühmten Fata Morganas. Der Sand ist abends weich durch die Wärme und Trockenheit des Tages und das Gehen darauf wird unwahrscheinlich anstrengend. Regelmäßig bleiben wir dann mit unserer Feuerwehr stecken und es hilft nur, die Räder frei zu schaufeln und die Sandbleche unterzulegen.

Schon kurze Zeit nach Fachi haben wir die Piste verloren. Wir fahren nach Kompass und folgen dem Dünental in westlicher Richtung. Endlose Weite, endlose Verlassenheit! Wie vielen auch erfahrenen Karawanenführern wurde die Ténéré schon zum Grab! Der berühmte Sohn der Wüste, Mano Dayak, beschreibt in seinem autobiographischen Roman „Geboren mit Sand in den Augen“, wie nach einem Sandsturm in nur geringer Entfernung von einer Wasserstelle auch erfahrene Tuareg verdurstet aufgefunden wurden. Ein Blick auf den völlig gelassenen Hassan, der mit einem lässigen Fingerschnippen die Richtung durch die Dünenfelder vorgibt, beruhigt mich sogleich. Er scheint zu wissen, wo wir sind und wo es lang geht.

Nach einer weiteren Nacht in den Dünen hören wir am Morgen plötzlich Geräusche. Es handelt sich nicht wie zuerst vermutet um Djinns, die berüchtigten Wüstengeister, sondern es ist das laute Protestgeschrei von Kamelen, die beladen werden. Direkt im nächsten Dünental hatte eine Salzkarawane mit ihren Tieren gelagert, ohne dass wir ihre Anwesenheit ahnten. Gerade sind sie dabei aufzubrechen. Sie entfernen sich in Richtung Süden. Wohin mag ihr Weg führen?

Am Nachmittag tauchen endlich die ersten Gräser und Sträucher auf. , Zwischendurch ein paar verkrüppelte Bäumchen. Die Sahara geht in die Sahelzone über. Den berühmten Baum der Ténéré haben wir durch unsere Fahrt abseits der regulären Piste verpasst. Das heißt, wir werden ihn irgendwann im Nationalmuseum von Niamey besichtigen, wo seine kläglichen Überreste stehen. Seit er von einem LKW-Fahrer plattgewalzt wurde, symbolisiert ihn hier in der Wüste nur noch ein Blechgestell. Vor uns erscheinen die ersten Felsen und Gesteinsbrocken des Air-Gebirges.

An diesem Tag haben wir mindestens sieben Salzkarawanen unterschiedlicher Größe, von zwölf bis dreißig Tieren, getroffen. Einer Karawane, deren Führer dringend um „Aman“ bitten, können wir helfen. Sie hatten zu wenig Wasser mit sich geführt und jetzt kurz vor dem nächsten Brunnen wird es eng. Gierig löschen sie erst ihren Durst und füllen dann den Inhalt eines unserer 35-l-Kanister in ihre Ziegenhäute. Am nächsten Tag werden wir Agadez erreichen.

In Agadez erwartet uns das kleine, saubere Hotel „Telwar“ mit heißer Dusche und einem Bett mit weißen Laken. Agadez besteht aus auf Sand gebauten, ebenerdigen Lehmhäusern, dazwischen neben der berühmten, im 12. Jahrhundert erbauten, alten Moschee von Agadez, die ein typisches Beispiel der sudanesischen Lehmarchitektur ist, der Sultans-Palast und der Palast von Kaocen, in dem heute das Hotel de l’Air untergebracht ist. Als Frankreich in den Jahren 1959/60 am grünen Tisch die Grenzen von Algerien, Mali und Niger festlegte, wandte sich der Sultan von Agadez zusammen mit Oberhäuptern verschiedener Tuareggemeinschaften schriftlich an General de Gaulle mit der Bitte um einen eigenen Sahara-Staat. Dieses Schreiben erreichte nie seinen Adressaten, sondern wurde von Mitgliedern des französischen Kabinetts an den damaligen Staatschef der Republik Niger, Diori Hamani, zurückgeschickt, der daraufhin den Sultan von Agadez verhaften und im Gefängnis sterben ließ.

Wir besuchen den Großen Markt und drängeln uns durch die Verkaufsbuden. Hier gibt es alles, was das Tuareg-Herz begehrt: Kamelsättel, Satteltaschen, Sandalen, Messer und Schmuck. Das berühmte „Kreuz von Agadez“ erstehen wir bei Mohammed, dem Silberschmied, der uns stolz deutsche Zeitungsausschnitte zeigt, auf denen er im Historischen Museum Speyer bei der Demonstration seines Handwerks abgebildet ist. Mohammed hat auch schon in München ausgestellt und möchte das im nächsten Sommer wieder tun. Verschiedene Tuareg-Kreuze stehen zur Auswahl: unter anderem das Kreuz von Gall, das Kreuz von Tahoua, das Kreuz von Bilma. An der Form und den Details der Schmuckstücke ist ersichtlich, aus welcher Gegend der Träger stammt. Neben diesen Kreuzen hält Mohammed auch wunderschöne Halsketten, Halsreifen, Armbänder, Ohrringe und Broschen aus echtem Sterlingssilber feil.

Auf dem Kamelmarkt werden auch Zeburinder mit ihren riesigen langgeschwungenen Hörnern, Esel, Ziegen und Schafe zum Kauf angeboten. Rex, der hier große Aufmerksamkeit erregt, geben wir im Tausch gegen die gebotenen zwei Kamele nicht her! Es wird viel gebettelt und in Ermangelung von Kleingeld, das einem hier systematisch vorenthalten wird, fallen die Almosen häufig höher aus als angebracht. Auch im Hotel sind „cadeau“ begehrt. Eine Hausdame klärt mich, während sie das Zimmer reinigt, über Probleme auf, die das Frausein hier mit sich bringt: Verhütungsmittel seien zwar zu bekommen, aber sehr teuer. Ein großes Problem stelle die Versorgung mit Hygieneartikeln dar. Falls sie überhaupt angeboten würden, dann zu unerschwinglichen Preisen. Das kann ich mir gut vorstellen, denn auch wir haben schon die Geschäftstüchtigkeit der Tuareg, die zuweilen in Geldgier ausartet, zu spüren bekommen.

Bei Vollmond, mit Blick auf die alte Moschee, umweht von einem angenehm kühlen Lufthauch, nehmen wir ein passables Abendessen, Kuskus mit Lamm, serviert von einem entzückenden jungen Targi, auf der Terrasse des Hotels de l’Air ein. Auf dem Rückweg zum Hotel verirren wir uns in der Dunkelheit in einem Gewirr von Gassen. Es gibt keine elektrische Straßenbeleuchtung, nur in den Innenhöfen der Häuser brennen kleine Petroleumfunzeln. An den Ecken stehen dunkle Gestalten, die in den flackernden Lichtscheinen unheimlich und gefährlich wirken. Ich habe das Gefühl, wir entfernen uns immer mehr vom Zentrum und die Gassen und Hinterhöfe werden immer dunkler. Rex als Begleiter erscheint als echter Schutz. Als Hellmut einen älteren Mann anspricht und nach unserem Hotel fragt, dieser sich sogleich anbietet, uns dorthin zu bringen, die Ecken und Gassen dann noch dunkler werden, bekomme ich wirklich Angst. Wie einfach wäre es, uns jetzt von hinten eins überzuziehen! Aber der Alte erweist sich als rettender Engel. Er liefert uns sicher vor dem Eingang zum Hotel ab und freut sich sichtlich über das vor lauter Erleichterung sehr üppig ausgefallene Trinkgeld. Dass Agadez kein ganz ungefährliches Pflaster ist, erfahren wir einige Wochen später. Eine Touristin wurde auf offener Straße gezwungen, ihren Geländewagen anzuhalten, auszusteigen und die Autoschlüssel abzugeben. Unterstrichen wird diese Forderung durch Schüsse in den Boden. Ein typischer Fall von car-jacking. Wurden früher Karawanen überfallen und beraubt, so müssen eben heute ab und an ein paar Touristen daran glauben.

Agadez ist staubig und schmutzig und voller Gegensätze. Es gibt nur eine geteerten Straße, Abwässer und Afalll landen auf der Straße. Kinder suchen auf den Müllkippen nach noch Verwertbaren. Auf den Straßen fahren neben den Kamelen und den mit Emigranten überladenen LKWs feinste Luxuskarossen. Die Läden bestehen aus einfachen Bretterbuden, drinnen werden neben allen Artikeln des täglichen Bedarfs modernste HiFi-Geräte und Computer angeboten. Wohlhabende Tuareg, die in großen Häusern wohnen und in deren Wohnzimmern modernste Kommunikationstechnik benutzt wird, haben in den Innenhöfen Zelte aufgeschlagen und ziehen es vor, abends mit ihren Familien dort am Lagerfeuer zu sitzen. Die unverschleierten und attraktiven Frauen wirken selbstbewusst. Es gibt gut ausgestattete Safari-Unternehmen, daneben werden auf Matten sitzende Kinder in Koranschulen unterrichtet.

Nachdem wir Agadez verlassen haben, durchqueren wir die Sahelzone, den Übergang zwischen Wüste und fruchtbaren Land, um zum südwestlichen Teil der Sahara zu gelangen. Über Burkina Faso (ehemals Obervolta) reisen wir bei Koro nach Mali ein. Der Weg ins sagenumwobene Timbuktu, unserem nächsten Ziel, führt durch das Binnendelta des Niger, des drittgrößten Flusses Afrikas. In der Ortschaft Bambara nehmen wir einen jungen Mann mit einem schmucken grünen Turban ein Stück des Weges mit. Er gehört zum Stamm der Bella, den ehemaligen Sklaven der Tuareg. Diese tiefschwarzen Menschen kamen einst aus dem Sudan und versuchen heute häufig, ihre ehemaligen Tuareg-Herren zu übertreffen: ihre Turbane sind größer, ihre Frisuren gewagter, ihr Schmuck prächtiger. Leider lässt der Reiz des mitreisenden jungen Bella-Mannes bald nach, als er sich als nicht feuerwehrfest erweist und unter starken Symptomen der Seekrankheit zu leiden beginnt. Das möchte man doch nicht glauben, dass Autofahren mehr auf den Magen schlägt als Kamelreiten.

Die Strecke bis Timbuktu gilt als Banditengebiet. Tuareg-Rebellen machen die Gegend unsicher. Wir werden aufgefordert, nirgends anzuhalten und keine Anhalter mitzunehmen. Doch was tun als der Abend naht? Die Gegend ist leicht hügelig, Steppe und Buschland soweit das Auge reicht. Wir beschließen, ein Stück von der Piste wegzufahren, uns so gut es geht hinter einem Hügel zu verstecken, noch bei Helligkeit zu kochen, ohne Petroleumlampen in der Dunkelheit zu sitzen. Während wir uns bei Mondschein nur flüsternd unterhalten, wie wir meinen gut getarnt, schießt plötzlich mit lautem Gebelle Rex unter dem Campingtisch hervor. Es ist nicht zu fassen: in nur zehn Meter Entfernung reiten auf großen Kamelen zwei vermummte Tuareg an unserem Lager vorbei! Wir hatten sie weder gesehen noch den Tritt der Kamele gehört! Mit unserer Tarnung war es wohl nicht so weit her. Unseren Gruß erwidern sie nicht, ziehen stumm in die Dunkelheit hinaus. Den Rest der Nacht verbringen wir etwas unruhig in unseren Zelten.

Am nächsten Tag begegnen wir einer achtköpfigen Tuareg-Familie, die auf großgewachsenen Reitkamelen, den Mehari, unterwegs ist. Sie haben wunderschöne Reitsättel aus buntgefärbtem Leder. Ihr gesamter Hausrat inklusive Zelte ist auf drei Lastkamele verteilt. Die Paare reiten auf einem Kamel, die Frauen sitzen hinter ihren Männern, die jüngere Frau hat ein Baby im Arm, ein etwa zehnjährige Mädchen ein Lamm. Man grüßt sich freundlich, die Tuareg steigen ab, wir steigen aus. Als wir auf das Weinen des Zweijährigen aufmerksam werden, sehen wir, dass sein linker Arm eine große Brandwunde aufweist, auf der eine grüne Pflanzenpaste aufgetragen ist. Es sieht gefährlich aus. Wir leisten erste Hilfe und verweisen auf die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung. Es werden Geschenke ausgetauscht, geflochtene Bändchen gegen Bonbons und Datteln. Das Familienoberhaupt bietet uns einen Kamelritt an. Den nehmen wir gerne an. In luftiger Kamelhöhe wirkt das Land noch unendlicher.

Die nächste Nacht verbringen wir geschützt in dem kleinen Campement eines Tuaregdorfes. Wir sind bereits im Niger-Delta und die zu befahrende Strecke wird immer schwieriger. Die Piste vergabelt sich, um sumpfige Flussstellen zu umfahren. Mit unserer Feuerwehr können wir zweimal Nothilfe leisten und im Schlamm steckengebliebene Landrover wieder ans feste Land zu ziehen. Es freut uns, dabei die Bekanntschaft der Afrikareisenden Pamela Watson zu machen, deren Buch „Der Traum von Afrika. Eine Frau, ein Fahrrad – die Freiheit“ gerade in Deutsch erschienen ist. Der große Strom bildet hier viele Inseln, auf denen Rinder und Schafe zum Weiden gebracht werden. Ein stolzer Tuaregreiter durchquert mit seinem Kamel eine Wasserfurt. Ein ungewöhnliches Bild.

Endlich kommen wir zur Fähre. Sie kann nicht mehr anlegen, da der Wasserstand bereits zu niedrig ist. Ein junger Targi, der hier einen einträglichen Nebenjob ausübt, hängt sich an das Außenfenster und dirigiert unser Fahrzeug per Fingerzeig 200 Meter durch die Untiefen des Überschwemmungsgebiets. Wir tauchen ein bis über die Achsen. Ächzend graben sich die Reifen durch Schlamm und Wasser. Ein Aufatmen als wir wieder festes Ufer einer Insel erreichen. Von dort können wir das Autos auf die Fähre fahren. Die Überfahrt dauert eine halbe Stunde.

Der Strom ist die Schwelle zwischen Sahel und Sahara. Bis der Fluss seinen Lauf änderte, lag Timbuktu, die Sagenumwobene, wo die Nomadenvölker aus dem Norden und die sesshaften Bauern aus dem Süden zusammentreffen, direkt am Wasser. Auch wenn Timbuktu heute 15 Kilometer weit entfernt liegt, findet der Warenaustausch zwischen Sahara und Sudan hier immer noch statt, das Salz und die Datteln der Wüste gegen Stoffe und Hirse der Ackerböden. Welche Assoziationen ruft der Name Timbuktu hervor: Exotik, Gold, Erhabenheit, Reichtum, Zauber vergangener Zeiten. Und wie viele Reisende werden durch das heutige Timbuktu enttäuscht. Sie verfallen in das andere Extrem, beschreiben Timbuktu als schmutzige, hässliche Stadt, die kein Flair aus vergangenen Zeiten in die Gegenwart hinüberretten konnte. Dabei gibt es doch immer noch die bunten Märkte, die großartigen Moscheen, von denen die Djinger-Ber oder Grande Mosquée auch von Innen besichtigt werden kann, die altehrwürdigen Bürgerhäuser und die wertvolle, umfangreiche, islamische Bibliothek. Zwar sind die Straßen zugesandet und hat der Fluss Niger seinen Lauf um einige Kilometer nach Süden verschoben, doch existiert vor der Stadt immer noch der Halteplatz für die aus Taoudenni kommenden Salzkarawanen, die Tuareg haben hier nach wie vor ihre Hochburg und wohnen in der Stadt in ihren Beduinenzelten, vor denen sie ihren traditionellen Tee zubereiten. Es wird wunderbarer Tuaregschmuck, Messer, Wurfspeere, Lederarbeiten angeboten. Viele Eingangstüren sind mit den wunderbaren Silberbeschlägen versehen, auch wenn dann die Inneneinrichtungen zu wünschen übrig lassen.

Es kommt ein leichter Sandsturm auf, die Luft verfärbt sich gelblich. In leuchtendes Orange, tiefes Indigoblau oder giftiges Grün gehüllte Frauen flanieren mit passendem Kopfschmuck über Straßen und Plätze. Timbuktu hat eine besondere Atmosphäre. Man atmet die Stadt ein, wird von ihr umhüllt und fühlt sich doch als Fremdkörper und Eindringling. Wäre es jemals möglich, die Geheimnisse von Timbuktu auch nur zu erahnen?

Eine schlechte Piste geht über Douentza und Hombori 500 km durch Sahel-Vegetation, Sanddünen und Dornengestrüpp nach Gao. Diese Stadt teilen sich Tuareg und Songhai. Songhai beherrschten im 16. Jahrhundert die Stadt und waren maßgeblich am Transsaharahandel beteiligt. Von den glanzvollen vergangenen Songhai-Zeiten zeugt das bizarre und in seiner Architektur einmalige Askia-Grabmal, in dem die Herrscher dieser Dynastie beerdigt wurden und das heute als Moschee dient. Wir machen vom quirligen Hafen, der bereits Teil des Marktes ist, einen Pirogenausflug über den Niger zur „rosa Düne“. Welche Kontraste: hier die rosa Sanddüne, dort der blaue Fluss mit grünen Feldern, die von intensivem Reisanbau zeugen. Unser Führer Hassan bemüht sich sehr, uns die Sehenswürdigkeiten von Gao näherzubringen: die Moscheen, die Märkte, das Museum, in dem den Besuchern das Brauchtum Tuareg- und Songhai veranschaulicht wird. Gao wirkt quirliger und lebendiger als Timbuktu. Es gibt alles zu kaufen, von der ausgefallensten Fotobatterie bis zu französischen Keksen, allerdings zu gesalzenen Preisen. Die Straßen sind breit und sehr sauber. Es wird nicht gebettelt. Die Stadt scheint für Sahel-Sahara-Verhältnisse gut organisiert zu sein. In der Saison fliegt der französische Reiseveranstalter „Point Afrique“ einmal wöchentlich direkt Paris – Gao und bietet zusätzlich mehrtägige Pirogenfahrten auf dem Niger nach Timbuktu und Mopti an.

In Gao wird uns Joo vermittelt, ein charmanter, 21jähriger Targi, der uns zu einem Tuareg-Festival bei Menaka begleiten soll. Jährlich werden im Januar zwei große Festivals veranstaltet, die jedes Mal von anderen Ortschaften ausgerichtet werden. In diesem Jahr sind es die Städte Tessalit in der Tanezrouft und Andéramboukan bei Menaka. Da beide Orte Hochburgen der Tuareg-Rebellen sind, wurde eine Art Waffenstillstand während der Feierlichkeiten ausgerufen, um die Anreise der Teilnehmer zu sichern. Die zweitätige Fahrt nach Andéramboukan in den Westen Malis führt durch ein landschaftlich sehr reizvolles Flussgebiet entlang des Niger. Unterwegs begegnen uns viele Teilnehmer des Festivals, die zu Kamel, zu Pferd und zu Fuß in schönstem Feiertagsschmuck unterwegs sind nach Andéramboukan. Sie lachen und winken fröhlich in Vorfreude der Ereignisse. Auf einer kleinen Landebahn bei Menaka ist mit einer zweimotorigen Maschine der Innenminister von Mali gelandet, um an den Festivitäten teilzunehmen. Je näher wir Andéramboukane kommen, desto dichter wird der Menschenstrom.

Vor uns erhebt sich eine hohe, großflächige Düne. Viele Reiter und Fußgänger, Männer und Frauen, sorgfältig geschminkt, in anmutiger Haltung, die Männer mit ihren Gesichtsschleiern, die ihre Augen noch feuriger erscheinen lassen, spazieren umher. Unser rotes Feuerwehrauto erregt große Aufmerksamkeit. Außer uns sind vielleicht noch zehn Europäer hier. Wir erklimmen die große Düne auf deren Kamm in fünf Reihen Zelte aus auf Stöcken gespannten Tierhäuten, unten geöffnet und mit Seilen am Boden befestigt, aufgestellt sind. Viele Tuaregfamilien haben sich schon in den Zelten eingerichtet, den Neuankömmlingen werden vom Festkomitee Zelte zugeteilt. Statt unsere Kamele anzubinden, „parken“ wir unsere Feuerwehr vor den uns zugeteilten Zelten, in denen wir unsere Schlafsäcke für die Nacht ausrollen. Am nächsten Morgen werden wir vom Saharawind mit Sand bedeckt aufwachen, verwundert vor das Zelt treten und uns inmitten der gerade erwachenden Tuareg-Zeltstadt wiederfinden .

Doch jetzt geht es zum Festplatz. Unter einem großen Zelt haben sich viele Menschen versammelt. Andere Gruppen demonstrieren auf einem freien Platz ihre Tänze. Auf Tuareginstrumenten stimmen Musikanten die Tänzer ein. Ein schrilles Getriller der Frauen ertönt. Auch wir sitzen im Kreis um die Tänzer und klatschen den Rhythmus. Eine Gruppe von Bororo-Fulbe, diese Halbnomaden, die einen ausgesprochenen Schönheitskult pflegen, gehört zu den Gästen. Junge Männer tanzen mit bemalten Gesichtern, schwarz gefärbten Lippen, künstlerisch geflochtenen Haartrachten. Sie tragen großkrempige Lederhüte geschmückt mit Straußenfedern und rollen wild mit ihren Augäpfeln, um sich und ihre Schönheit in Szene zu setzen und Bewunderung zu erhaschen. Plötzlich öffnet sich der Kreis der Zuschauer und einer Gruppe von großgewachsenen, dunkel gekleideten Menschen wird Platz gemacht. Ein stattlicher Mann mit mehreren Frauen von ausdrucksvoller Schönheit und stolzer Haltung und deren Begleiter halten Einzug und setzen sich im Kreis. Es handelt sich um den Amenokal, einen Tuaregfürsten aus dem Nachbarstaat Niger, der hier mit seiner Familie dem Fest die aristokratische Note gibt. Bei Anbruch der Dämmerung tanzen sich die Frauen in Trance. Kniend, sich zu der Musik eines Streichinstruments wiegend, unterstützt von rhythmischen Klatschen der um die Gruppe des Amenokal stehenden Tuareg, fallen sie mit wegtretendem Blick auf die neben ihnen knienden Männer und Frauen, wobei sich die eine oder andere wunderschöne Brust entblößt. Der Tanz wirkt erotisierend und aufregend. Der Fürst gibt den Takt vor. Eine Frau säugt im Kreis sitzend einen Säugling. Eine undomenistizierte, von allen Zivilisationsneurosen unbeleckte Einstellung zu Sexualität und Körperlichkeit wird fühlbar. Magie liegt in dieser Abendstimmung, die untergehende Sonne verschwindet hinter den Dünen, ein leiser Wind weht lau und eine tiefe Ahnung des Zaubers und der Mystik vom Werden, Sein und Vergehen erfüllt uns. Dieses Festival ist auch eine Begegnung der Geschlechter. Die schönen und stolzen Menschen, die Musik, der Tanz, die Dämmerung, alles strömt Sexualität aus und atmet Erotik.

Am nächsten Tag erwartet uns ein weiterer Höhepunkt: das Kamelrennen. Über eine Entfernung von 20 km bewegen sich in einer Ebene die Reiter auf das durch zwei Stöcke gekennzeichnete Ziel zu, an dem die Zuschauer erwartungsvoll ausharren. Endlich werden Staubwolken in der Ferne sichtbar. Die Zuschauer stürmen zu Fuß, zu Pferd und zu Kamel den Wettkampfteilnehmern entgegen, unter ihnen auch die Meharisten, die mit AK 47 Sturmgewehren bewaffnete Kamelpatrouille. Unter großem Geschrei und Gejohle wird der Sieger durchs Ziel begleitet. Es fliegt soviel Staub und Sand durch die Luft, es sind so viele Kamele und Pferde unterwegs, dass überhaupt nicht mehr ersichtlich wird, wer zum Rennen zählte und wer Zuschauer war. Da löst sich aus einem Knäuel der Sieger, der Stolz seines Klans: ein Knabe von vielleicht 14 Jahren, in einen wallenden Umhang und Gesichtsschleier gehüllt, auf einem bunt bemalten Kamel. Er wird von den anderen Reitern zum Festplatz begleitet, wo eine Art Parade stattfindet. Die Reiter, farbenfroh kostümiert, unter ihren Turbanen wild blickend, auf ihren prächtigen, geschmückten, bemalten und mit wunderschönen rot-grünen Ledersätteln versehenen Kamelen, halten ein Schaureiten ab. Einzeln oder in kleinen Gruppen galoppieren sie hin und her, halten direkt auf uns zu, um kurz vor einem Zusammenstoß abzubremsen und sind höchst erfreut, für unsere Kameras posieren zu können.

Joo, unserer Führer, organisiert erstklassig. Das Essen wird vor unseren Zelten in einer großen Schüssel serviert: Reis mit Sauce, darauf etwas Schaffleisch. Wir essen mit den Händen. Vor den Zelten werden kleine Feuerchen entfacht, auf denen Tuareg-Tee, eine starke Schwarzteemischung mit viel Zucker, gekocht wird. Eine Gruppe von drei Musikern gesellt sich zu uns. Joo übersetzt die auf uns gemünzten Reime: Wie wir hierher kamen mit unserem roten Feuerwehrauto und wie gefährlich und schön unser großer Hund sei. Dann gehen die Gesänge im Gelächter der umstehenden Zuschauer unter. Vielleicht ist es besser, dass wir nicht alles so genau verstehen, was da an „Gstanzln“ über uns verbreitet wird? Nach einem großzügigen Trinkgeld packen die Drei ihre Instrumente weg und ziehen weiter zu einem anderen Zelt.

Woher kommt diese Anziehung, welch die Wüste und deren Bewohner auf uns ausüben? Ist es die an Anarchie grenzende Freiheit, die uns so fasziniert? Der offene Blick jedes Wüstenbewohners gibt zu verstehen, dass ein Targi oder Tubu nur der Wüste und ihren Gesetzen verpflichtet ist und sonst keine andere Autorität und schon gar keine staatliche anerkennt. Hier sind den Einflüssen von Fernsehen und anderen Massenmedien auf Denken und Fühlen Grenzen gesetzt. Keine Spur des obrigkeitshörigen Sicherheitsstrebens, wie es in der westlichen Welt vorherrscht, findet Eingang in dieses harte, risikoreiche Hier und Jetzt.

ach dem Besuch eines halsbrecherischen Pferderennens, in dem die Teilnehmer ihren Wagemut und ihr Geschick zur Schau stellen konnten, brechen wir am nächsten Tag auf. Wir sind glücklich und dankbar, dass uns diese Menschen in großer Gastfreundschaft an ihrem Fest teilnehmen ließen und wir mit ihnen diesen Jahreshöhepunkt erleben durften.

Unsere Reise neigt sich dem Ende zu. Unsere Freunde kehren per Flugzeug von Niamey über Paris zurück nach Deutschland. Hellmut, Rex und mir steht allerdings noch ein Abenteuer bevor: unsere Rückreise mit der Feuerwehr über Mali, Algerien, Tunesien. Der erste Teil der Strecke wird durch die Zentralsahara über die gefährliche Tanezrouft, der legendären direkten Nord-Süd-Verbindung zwischen Maghreb und Schwarzafrika, führen. Doch zuerst müssen wir uns ein Visum für Algerien besorgen. Unser altes ist abgelaufen. Eine Woche sitzen wir in Niamey fest, wo es uns trotz massiver Unterstützung ortsansässiger Freunde nicht gelingt, von der algerischen Botschaft ein Transitvisum zu erhalten. Nachdem unser Geduldsfaden reißt, und uns Joo versichert, wir würden in Gao, dem Ausgangspunkt der Tanezrouft, problemlos vom dortigen algerischen Generalkonsulat ein Visum bekommen, entschließen wir uns, unser Glück in Gao zu versuchen.

Wir brechen Freitagmittag auf und erreichen nach einer Fahrt über schlechte Pisten aber entlang wunderschöner Flusslandschaften bei schon einbrechender Dämmerung den Ort Yassane, wo sich der nigerische Grenzposten befindet. Nach Erledigung der langwierigen Ausreiseformalitäten und einer anschließenden Fahrt durchs Niemandsland kommen wir zur malischen Grenzstation Labbézanga. Dort werden wir zwar noch abgefertigt, da die Piste aber dann durch unsicheres Rebellengebiet führt, werden wir aufgefordert, im Ort zu übernachten. Wir schlagen unsere Zelte mitten in Labbézanga direkt neben dem Polizeiposten auf. Freundliche Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag versichern uns, für unsere Sicherheit zu sorgen. Gepinkelt wird zehn Meter vom Zelt entfernt an die Mauer des Zollamts. Die ganze Nacht kommen Lastwagen an, die nicht mehr weiterfahren dürfen. Es brennen Feuerchen, Tee wird gekocht, Nachtlager werden aufgeschlagen. Wie weit weg erscheint mir in dieser Nacht meine europäische Heimat! Hier mitten in einem Banditengebiet in Westafrika, in einem gottverlassenen Grenzort zwischen Niger und Mali, ohne Algerien-Visum für die Heimreise, fühle ich mich ziemlich verloren.

Am nächsten Morgen sind diese Gedanken vergessen. Weiter geht die Fahrt entlang des Niger. Wir kommen an einem Flusspferd-Pool vorbei und bestaunen die grauen Rücken, die aus dem Wasser ragen. Auf der Piste sind viele Fußgänger unterwegs. Den Weg säumen einzelne, gerissene Plastiksandalen in grün, gelb, rot, blau, derer sich die Besitzer wohl auf ihren Märschen entledigt haben. Joo macht uns auf Gruppen von Kindern aufmerksam, die auf dem Weg nach Gao sind. Es sind Straßenkinder. Sie haben eine Metallschüssel umgehängt und hoffen, dass ihnen barmherzige Menschen Essen oder sonstige Almosen einfüllen. Hungrig und zukunftslos flüchten sie bangend um eine Chance zum Überleben in die großen Städte.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Gao und beziehen Quartier in einer Fulbe-Hütte auf dem Bongou-Campement. Abends lernen wir die Familie von Joo kennen, seine attraktive Mutter, seine Geschwister und seine „Verlobte“. Die ist fünf Jahre alt und lebt bereits bei der Familie ihres Zukünftigen. Im nächsten Jahr soll die Vermählungszeremonie stattfinden. Als Geschenk bringt Joo seiner „femme“ Kinderkleidung aus Niamey mit. Wir essen bei Joos Familie, die ein Anwesen mit großem Innenhof ihr eigen nennt, sehr schmackhaften Reis mit Gemüse und Fleisch zu Abend.

Montag früh erscheinen wir pünktlich um 10 Uhr mit Passfotos, geknipst in Atelier in Gao, auf dem algerischen Generalkonsulat. Wir werden in einen Warteraum gebeten und füllen die Visaanträge aus. Joo begleitet uns. Er will bis zur algerischen Grenze mitkommen. Mit ihm als Führer, der hier bei allen Tuareg bekannt ist, wollen wir es wagen, die Tanezrouft zu befahren. Sie stellt die kürzeste Verbindung zwischen Nord- und Schwarzafrika dar. Früher lief der gesamte Transsaharahandel über diese Piste. Aber dann kam es immer häufiger zu Überfällen durch Tuaregrebellen. Der Teil der Tanezrouft, der durch Mali führt, gilt als extrem unsicher. Touristen wurden die Autos abgenommen, sie wurden beraubt und einige sogar ermordet, zuletzt vor einigen Monaten drei Holländer. Wir rechnen uns trotzdem gute Chancen aus, unbehelligt nach Algerien zu kommen, da unsere Oldtimerfeuerwehr nicht gerade die Begierde von Rebellen wecken dürfte, unser Bargeld fast restlos ausgegeben und Joo ein Garant für unsere Sicherheit ist.

Doch dann die große Überraschung: bevor wir nachmittags um 13.00 Uhr unsere Visa abholen, eröffnet uns Joo, dass er jetzt leider doch nicht mitkommen könne. Seine Schwester sei an Malaria erkrankt und er müsse sie ins Krankenhaus bringen. Er gibt uns den guten Rat, unsere restlichen US-Dollar gut zu verstecken, falls wir überfallen werden würden. Dieser Hinweis wirkt nun auch nicht gerade beruhigend. Wir spekulieren, was der tatsächliche Grund für seinen Rückzug sein mag. Es ist uns mulmig zumute.

Der algerische Generalkonsul erweist sich ganz im Gegensatz zu seinen Kollegen in Niamey als äußerst charmant, hilfsbereit und kooperativ. Er stellt uns kostenfrei ein achttägiges Transitvisum für Algerien aus, gibt uns gute Ratschläge für unterwegs und versorgt uns auch noch mit einem neuen Tuareg-Führer, der namentlich auf dem Generalkonsulat bekannt ist und sich gegen ein gemäßigtes Entgelt bereit erklärt, uns zur algerischen Grenze zu bringen. Abdullah ist Mitte vierzig, groß, hager und hellhäutig Wir fahren mit Abdullah zu seiner Familie, um sein kleines Gepäck abzuholen. Dann verständigen wir telefonisch Hellmuts Bruder in Deutschland, dass wir uns heute auf die Tanezrouft wagen. Und los geht es noch am gleichen Tag!

Bis zum Einbruch der Dunkelheit fahren wir durch buschiges Sahelgebiet. Es ist klar, dass in diesem unübersichtlichem Gelände Rebellen erfolgreich operieren können. Immer wieder treffen wir auf Tuareg mit ihren Herden. Die Piste besteht nur aus einer schlechten Fahrspur und ist bis an die Seitenränder zugewachsen, d.h. kaum mal über eine längere Strecke freie Sicht. Wir kommen an abseits der Piste gelegenen Dörfern vorbei. Anderen Fahrzeugen begegnen wir an diesem ersten Tag nicht. Abends erreichen wir den Ort Almoustarat. Nachdem wir uns bei einem Posten gemeldet haben, leitet uns Abdullah an den Rand des Dorfes, wo wir in einer Art Gehöft, bestehend aus drei einfachen Lehmbauten, die Feuerwehr abstellen. Wie uns Abdullah erklärt, wohnt in diesen Gebäuden die Familie des Schullehrers. Er selber ist nicht da, aber seine Frau und der jüngere Bruder übernehmen es, uns eine der Lehmhütten für die Nacht zuzuweisen. Auf dem Sandboden breiten wir unsere Schaumgummimatratzen und Schlafsäcke aus.

Überall liegen im Sand alte, zum Teil schon erheblich beschädigte Transistorradiobatterien, mit denen der kleinste Spross der Familie, ein Dreijähriger, wie mit Bauklötzen spielt und sie mit Begeisterung in den Mund steckt, um darauf herumzukauen. Erfolgreich kann ich ein Honigbrot gegen die abgelutschten Batterien tauschen. Ob mein Versuch, die Mutter davon zu überzeugen, dass Altbatterien entsorgt werden sollten und kein geeignetes Spielzeug für kleine Tuareg sind, Erfolg hat?

Heute gibt es in unserer Feldküche Kuskus mit Dosenhühnchen. Da sich immer mehr Kinder um uns versammeln, von denen wir annehmen, dass sie zur Familie gehören, koche ich ein ganzes Kilo Kuskus. Bevor wir uns mit Abdullah an den Tisch setzen, lasse ich unserer Gastgeberin eine große Schüssel als Gastgeschenk von einem Kind überbringen. Die Schüssel verschwindet sofort im Haus und wird mir kurze Zeit später gereinigt zurückgebracht. Abdullah isst seinen Teller zwei Drittel leer. Zu unserer Überraschung gibt er ihn dann mit den Essensresten in die Gruppe von vielleicht sieben Kindern, die neben unserem Tisch im Sand sitzen. Diese stürzen sich mit einem wahren Heißhunger auf die wenigen Bissen. Da wird uns klar, dass diese Kinder wohl nicht zur Familie gehören, sondern aus dem Dorf sind und wirklich Hunger haben. Es ist noch genügend Kuskus mit Fleischsauce und Brot da, um alle satt zu machen. Zufrieden ziehen die Kinder nach dem Essen ab.

Abdullah zieht sich mit der Familie in eines der Lehmhäuser zurück um Tee zu trinken. Auch uns wird Tee angeboten. Plötzlich taucht aus dem Dunkel ein älterer Targi in einem blauen, Gandura genannten Umhang, auf, sieht uns verdutzt an und möchte wissen, wer wir sind und was wir hier machen. Wie sich herausstellt, ist das der Schullehrer, der über seine nächtlichen Logiergäste höchst erstaunt ist. Wie kommt eine rote Feuerwehr mit Weißen drin und einem Schäferhund in sein Gehöft mitten auf der Tanezrouft? Als wir ihn aufklären, dass wir heute Nacht seine Logiergäste sein werden, bricht er in lautes Gelächter aus und seine braune Augen blitzen lustig.

Die Nacht im Lehmhaus haben wir gut verbracht. Heute ist mein 47. Geburtstag. Dass Hellmut vergessen hat, ein Törtchen mitzunehmen, verzeihe ich ihm unter den gegebenen Umständen. Wir bedanken uns bei der Familie für die Unterbringung, bezahlen mit einigen CFA. Mama-Targa bittet um ein paar Suppenlöffel, die sie gut gebrauchen könnte. Davon haben wir genug und können gerne aushelfen. Im Morgenlicht stellt sich Almoustarat als trostloser Ort mit einigen im Sand verstreuten Häusern und Gehöften dar. Es strömt Kargheit, Armut, Hunger und Hoffnungslosigkeit aus. Welch ein Widerspruch zwischen diesen erbärmlichen Lebensumständen und der darin beheimateten stolz-aristokratischen Bevölkerung, deren Verhalten auch gerne in Arroganz umschlägt. Ein Wunder, dass bewaffnete Banden diesen Widerspruch zwischen Anspruch und realen Lebensbedingungen mit Waffengewalt zu lösen versuchen?

Der zweite Tag auf der Tanezrouft unterscheidet sich auch landschaftlich nicht sehr vom ersten. Gegen Mittag kommt uns ein Fahrzeug entgegen, ein Pick-up, auf der Ladefläche mit aufgepflanztem Maschinengewehr. Der Fahrer und die drei Männer auf der Ladefläche sind in Zivil mit Uniformversatzstücken gekleidet. Alle tragen Turban. Ist das eine reguläre Militärpatrouille oder sind das die gefürchteten Rebellen? Ein Blick in Abdullahs Gesicht verrät nichts. Er hat sein Pokerface aufgesetzt und starrt angestrengt nur geradeaus. Lange Zeit zum Nachdenken bleibt sowieso nicht. Schnell kommt das Fahrzeug heran und hält neben uns. Auch die Männer auf dem Pick-up scheinen verunsichert zu sein. Eine Münchner Feuerwehr mit einem Targi, der stur gerade zum Fenster raussieht, und ein Weißer, der ganz höflich sagt: „Bonjour! Ca-va? Gibt es ein Problem?“? Erst staunen sie, dann grüßen auch sie: „Bonjour! Ca-va! Nein, kein Problem. Weiterfahren! Bonne Chance!“, hier wünscht man unterwegs „Viel Glück!“ anstatt „Gute Fahrt!“. Und viel Glück hatten wir wohl auch bei dieser Begegnung. Erst später wird uns bewusst, dass es sich bei dieser Gruppe um „Tuareg-Soldaten“ des Rebellen Ibrahim Bahanga gehandelt haben muss, der hier das gesamte Gebiet kontrolliert und für die Anerkennung von Tuareg-Belangen kämpft.
Am Nachmittag kommen wir durch das Dorf Aguelhok. Man winkt uns anzuhalten. Eine Menschentraube steht um unser Auto und wir werden gebeten, eine kranke Frau nach Tessalit zur Krankenstation mitzunehmen. Wir erklären uns dazu bereit. Es dauert etwas, bis die Targa-Dame kommt. Zuerst wird ihr Gepäck ins Auto gereicht, dann laut ächzend und lamentierend steigt die ältere, schwarz gekleidete Targa bei uns ein. Dann steigt noch eine Tochter von ihr ein, und dann steigt noch eine Tochter von ihr ein und als wir protestieren, als auch noch ein Sohn zusteigen will, wird uns empört klargemacht, dass es unmöglich wäre, die Damen ohne männliche Begleitung reisen zu lassen. Also steigt auch noch ein Sohn mit ein. Die Targa-Dame legt ein recht robustes Benehmen an den Tag, gibt mir zu verstehen, dass sie mal das Fenster geöffnet mal geschlossen haben möchte, ist verärgert, dass unser Rex die Sitze gegenüber belegt und sie dadurch nicht die Füße darauf stellen kann. Als wir gegen abends Tessalit erreichen und die Familie bitten auszusteigen, weil wir hier beim Militärposten die Ausreiseformalitäten aus Mali erledigen müssten, kommen sie dieser Aufforderung nur recht unwillig nach. Wir haben das Gefühl, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Nur was?

Der Militärposten ist auf einem Hügel postiert. Nach Zahlung eines kleinen Cadeau bekommen wir alle nötigen Stempel in unsere Pässe. Tessalit ist eine kleine Oase mit Palmerien und in den Sand gebauten Lehmhütten. Es hält für Besucher immerhin eine richtige Herberge bereit. Der Besitzer führt uns in einen Raum, auf dessen Sandboden wir wiederum unsere Matten und Schlafsäcke ausbreiten können. Es wird uns ein Abendessen aus Reis, Fleisch und Gemüse bereitet, anschließend der obligatorische Tee in einem Glas serviert, das immer wieder von neuem gefüllt die Runde macht. Der Besitzer erzählt, dass Tessalit als zweiter Austragungsort des Tuaregfestivals in diesem Jahr seit langer Zeit wieder einige Gäste beherbergen
konnte.

Der Grenzort, auf den wir am nächsten Tag zuhalten, heißt Bordj-Moktar. Ein Sandsturm taucht die Gegend in ein unwirkliches, trüblich-gelbes Licht. Wir begegnen nicht einem Fahrzeug. Ibrahim weist in Tuaregmanier lässig mit dem Zeigefinger die Richtung. Doch dann, noch an die 15 km von der malisch-algerischen Grenze entfernt, erreichen wir einen quirligen Ort, der, wie uns Abdullah erklärt, Chabil heißt. Eine Unmenge Trucks und Lkws aller Größen, zum Teil neuwertig, stehen kreuz und quer. Die Fahrer sind ausschließlich in Gandura mit Gesichtsschleier gehüllte Tuareg, die in Gruppen zusammenstehen und sich unterhalten oder uns gelangweilt, an ihre Trucks gelehnt, beobachten. Junge Männer dienen als Laufburschen und tragen Teetabletts durch die Straßen. Hier ist wirklich was los. Viele der einfachen Lehmhütten tragen die Aufschrift „Restaurant“ oder „Café“. Wo sind wir denn hier hingekommen? Auf keiner Karte finden wir diesen Ort vermerkt. Abdullah lässt uns anhalten und bittet um seine Entlohnung. Wir legen als Geschenk noch eine Lesebrille auf die CFA, da er sich am Abend vorher beklagte, den Koran nicht mehr richtig lesen zu können. Mit Vierzig lässt halt auch bei Tuareg die Sehschärfe nach. Er freut sich sehr über die Brille, steigt aus und bedeutet uns zu warten. Er hätte hier ein Haus und würde dort sein Geld deponieren. So haben wir Gelegenheit, das Treiben hier im Ort weiter zu beobachten. Abdullah hat uns erzählt, dies wäre ein Kreuzungspunkt vieler Pisten und Karawanenestraße, von hier ginge es nach Norden, zu den algerischen Städten Tamanrasset, In Salah, aber natürlich auch in alle anderen Richtungen, nach Süden zu den Städten Gao, Timbuktu, Agadez und natürlich weiter zur Hafenstadt Cotonou in Benin, einem Hauptumschlagplatz für Drogen. Wir sind in ein Schmugglernest geraten. Ein gesetzter, älterer Targi nähert sich mit Abdullah unserem Wagen. Er wird uns als „Patron de Village“ vorgestellt. In einem der vielen Cafés werden wir von ihm zu einem Nescafé eingeladen. Nachdem wir höflich gefragt wurden, ob mit oder ohne Milch, die nächste Frage, ob wir vielleicht Dollar in Algerische France wechseln wollten. Wir handeln einen recht günstigen Kurs aus, doch als wir dann drei Zwanzig-Dollar-Scheine ausbreiten, ernten wir lautes Gelächter. Bedauernd wird uns mitgeteilt, hier wäre man nur an 100-Dollar-Noten interessiert. Man gibt sich noch besorgt um unsere Sicherheit, die Tanezrouft würde sich auf algerischer Seite stark auffächern und es wäre nicht einfach, die Piste zu halten. Man bietet uns einen Führer an. Als wir dankend ablehnen, werden wir mit dem nun schon so bekannten „Bonne Chance!“ verabschiedet. Abdullah kommt noch bis Sichtweite des Grenzortes Bordj-Moktar mit, bittet dann aussteigen zu dürfen, weist uns zum letzten Mal mit der Hand die Richtung und macht sich zurück auf den Weg nach Chabil oder wie immer der Ort hieß, den wir gerade verlassen haben.

Die Einreiseformalitäten in Bordj-Moktar können wir, nachdem die Mittagspause der Grenzposten beendet ist, relativ schnell hinter aus bringen. Stolz zeigen wir unser gültiges Transitvisum. Die Jungs machen einen etwas gelangweilten Eindruck und sind froh, sich mit uns ein unterhalten zu können. Bis zum Ende der Tanezrouft, also bis zu der Ortschaft Reggane, sind es von der Grenze aus 650 km Piste, die in gerader Linie von Süd nach Nord durch die Zentralsahara führt. Wir haben für diese Strecke drei Tage veranschlagt. Zuerst geht die Fahrt durch Bilderbuch-Sahara mit beidseitig großen Dünenfeldern, dann wird die Landschaft zur monotonen Wüstenplatte, unterbrochen von schon lange außer Betrieb gesetzten Solarlampen entlang der Piste. Ganz selten begegnen uns Lkws. Der auf der Karte als „Bidou 5“ eingetragen Orientierungspunkt ist ein Militärposten. Der „Poste Weigand“ existiert nicht mehr, ebenso besteht der als Rastplatz mit Hotel ausgewiesene „Aire de Repos“ nur noch als Militärposten. Wir dürfen dort nicht übernachten und bekommen zum Trost zwei Orangen geschenkt. Hier auf algerischer Seite erscheint uns die Tanezrouft sicher. Damit die Fahrt über mehrere Tage in dieser eintönigen Landschaft nicht zu langweilig wird, gibt mir Hellmut täglich ein paar Stunden Fahrunterricht auf der Feuerwehr.

Endlich in Reggane! Wir sind stolz, allen Gefahren der Tanezrouft getrotzt zu haben und heil nach 1.000 km Wüstendurchquerung wieder in einer lebensfreundlicheren Welt angelangt zu sein. Wir melden uns auf der Polizeistation und dann geht’s gleich auf der Teerstraße weiter nach In Salah, das wir am nächsten Tag, einem Samstag, erreichen. In Salah, diese Tuaregstadt im Süden der algerischen Sahara, erscheint uns als Inbegriff zivilisiert städtischen Lebens. Es gibt alles: Obst- und Gemüseläden, Bäckereien, Metzgereien, Cafés und sogar Hotels und Restaurants. Nur haben wir dafür kein Geld, zumindest kein algerisches, nachdem unsere Umtauschaktion in Chabil mangels Masse gescheitert war und hier natürlich samstags alle Banken geschlossen haben. Da kommt die Rettung in Form eines schifahrenden Targi namens Hadschi, der in In Salah eine Reiseagentur betreibt. Hadschi kennt Deutschland, arbeitet professionell mit ausländischen Reisebüros zusammen und fährt auf Dünen Schi, was seinen Niederschlag in Artikeln von deutschen Magazinen fand, die jetzt die Wände seines Büros schmücken. Hadschi ist ein wahrer Segen! Er versorgt uns nicht nur mit algerischem Geld, sondern auch mit frisch duftendem Café, knusprigen Baguettes und saftigen Orangen. Und wir können von Hadschi aus Hellmuts Bruder in Deutschland anrufen und ihn über unser Schicksal beruhigen.

Wir haben ein Achttage-Transitvisum für Algerien, am Mittwoch waren wir eingereist, heute ist Samstag, also müssen wir es jetzt in vier Tagen zur tunesischen Grenze, zurück zu unserem Ausgangspunkt Taleb Larbi, schaffen. Insgesamt sind das noch an die tausend Kilometer. Die Teerstraße führt über das Plateau du Tademait gerade nach Norden bis El-Goléa und Ghardaia.

Gerade habe ich wieder das Steuer für meine Fahrstunde übernommen, geht es auch schon in steilen Serpentinen den Pass auf das Plateau hinauf. Vor Angst und Aufregung bekomme ich so schwitzige Hände, dass ich das Steuer kaum noch halten kann. Himmel, jetzt bloß nicht verschalten, wenn es im freien Flug rechter Hand einige hundert Meter hinuntergeht! Viele Lkws, die aus der Gegenrichtung kamen, sind hier schon verunglückt. Stundenlang eintönigste Fahrten über das Plateau hatten die Fahrer so eingelullt, dass sie zu spät den jähen Abbruch registrierten und geradeaus weiter in den Abgrund fuhren. Heute kann das nicht mehr passieren, denn oben wartet ein Militärposten, der jedes auf- und abfahrende Fahrzeug zum Halten zwingt. Allerdings ist der junge Mann so irritiert, eine Frau am Lkw-Steuer vorzufinden, dass er uns ohne Kontrolle sofort weiterwinkt. 230 km nach El-Goléa. Die einzige Abwechselung auf dem öden Geröllfeld des Plateaus bilden die alle zehn Kilometer aufgestellten Schilder mit Entfernungsangaben. Auf der ganzen Fahrt begegnen uns zwei Lkws. Jedes Gefühl für Raum und Zeit geht verloren. Endlich geht es bergab und für die Nacht finden wir einen wunderschönen Dünenring, in dem es sich windgeschützt lagern lässt. Die Nächte werden jetzt sehr kalt.

Der nächste Tag führt durch phantastische Dünenlandschaften. Seit unserem Aufbruch aus Gao begegnet uns das erste Touristenauto. Bei einer Straßensperre vor El-Goléa werden wir angehalten. Nach einer halben Stunde Wartezeit kommen einige Polizeiautos, um uns in die Stadt auf die Gendarmerie zu eskortieren. Wie wir erfahren, darf das Plateau wegen aufständischer Berberstämme nur im Konvoi befahren werden. Dem Militär war es unerklärlich, dass wir am Morgen einfach so alleine aus der Wüste aufgetaucht waren. Die Polizei ist höflich, entschuldigt sich für den unfreiwilligen Aufenthalt und lässt uns dann weiterfahren.

Wir kommen durch Ghardaia, einer Stadt auf Hügeln errichtet, mit reger Bautätigkeit, großen Industrieanlagen, einem modernen chirurgischem Klinikum und einem kleinem Flughafen. In den Tälern zwischen den Hügeln erfreuen große Palmerien das Auge. Es wirkt alles sauber und gepflegt. Jetzt sind wir richtig zurück im Maghreb. Unaufhaltsam schließt sich hinter uns der Vorhang zur schwarzafrikanischen Welt. Diese fremde, heiße, staubige, harte und so bunte Welt, in der wir uns noch vor kurzem bewegten und von der wir ein Teil sein durften. Die Sahara versinkt hinter uns und mit ihr die Menschen, denen wir uns nahe fühlten und die uns auf unserer Reise ans Herz gewachsen sind. Traurig verabschieden wir uns von den Nomaden der Wüste, diesen Wanderern zwischen Welten und Grenzen Sie bleiben als das unverzichtbare Bindeglied zwischen nördlicher und südlicher Welt zurück.

Hellmut geht es nicht gut. Plötzlich bekommt er Fieber, Schweißausbrüche, Übelkeit, Durchfall, Kopf- und Gliederschmerzen. Das Autofahren überlässt er jetzt ganz mir. Abends ist er nicht mehr in der Lage, in einer Steinebene hinter einer kleinen Anhebung unser Lager aufzubauen. Was kann es sein? Malaria? Ein anderes Virus? Wir müssen in drei Tagen die Grenze erreicht haben und wir haben als Bargeld nur noch algerische Dinar im Wert von 60 Dollar bei uns. Mir wird sehr mulmig und ich beschließe, bis Tunesien durchzufahren, komme was da wolle. Nach der tunesischen Grenze, in dem Touristenort Tozeur, gibt es sicher Bankomaten für Euro- und Creditcards und bestimmt auch Ärzte, die auf die Behandlung von europäischen Touristen eingestellt sind. Tozeur muss ich also erreichen.

Plötzlich gibt es an keiner Tankstelle mehr Sprit. Wie kann das in einem Land wie Algerien passieren, das selbst Erdöl fördert? Endlich bei Ouargla lange Autoschlangen vor einer geöffneten Tankstelle. Wir reihen uns ein. Die algerischen Fernfahrer sind sehr verwundert, eine Frau als Fahrerin des Feuerwehrautos auszumachen. Der Tankwart erbittet zur Erinnerung ein Souvenir. Hellmut hält sich neben mir nur mühsam auf dem Sitz. Hoffentlich hält er bis Tunesien durch!
 

Die letzte Nacht in Algerien verbringen wir nahe der Grenze in einem traumhaft schönen Dünenlager, mit Palmenhain und romantischem Vollmond. Für lange Zeit wird das die letzte Nacht unter freiem Wüstenhimmel sein. Hellmut ist immer noch sehr krank, doch morgen sind wir in Tunesien. Der Kreis hat sich geschlossen. Ein Traum von der Wüste geht zu Ende.

Copyright: Angelika Gutsche München
Mai 2002
 

Literatur: Reiseführer „Reise Know How Westafrika“ (Band 1 Sahelländer), “Reise Know How Algerien”, lonely planet “West Africa”, DuMont “Richtig reisen: Sahara”, Michelinkarte „Africa North and West” Kauderwelsch-Sprachführer “Französisch in afrikanischen Ländern”, “Arabisch” und “Hausa”
Weiterführende Literatur - eine Auswahl: “Geboren mit Sand in den Augen” (Mano Dayak), “Tuareg Poesie” (Heike Miethe Sommer), “Tuareg” (Alberto Vazquez-Figueroa), “Goldstaub”/“Nachtkraut”/”Blutender Stein” (Ibrahim al-Koni), “Der Weg nach Tassemsit” (Paul Bowles), “Schwimmer in der Wüste” (Ladislaus E.Almásy), “Der englische Patient” (Michael Ondaatje), “Der Traum von Afrika - eine Frau, ein Fahrrad - die Freiheit” (Pamela Watson), “Das Grab des weißen Mannes” (Richard Dooling)

2007
MAROKKO

2005
LIBYEN

2004
LIBYEN

2003
SAHARA


2002
DOGON
(Mali)

2001
SAHARA 

2001
SAHARA

2000
LIBYEN

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